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Wenn während der eigentlichen Arbeitszeit die Effizienz zusehends verloren geht, sollten wir uns ernsthaft Gedanken über den Organisationsrahmen machen.
Attribute wie geschäftig, eifrig und aktionistisch beschreiben mein Arbeiten oft besser als die Attribute produktiv, kreativ oder effizient. Leider beobachte ich nicht nur bei anderen, sondern auch bei mir selbst eine dumme Angewohnheit: Immer wieder schiebe ich wichtige Arbeit, die meine Konzentration erfordert, entweder in die frühen Morgenstunden oder aufs Wochenende. Im Verlauf der regulären Arbeitszeit entwickle ich dagegen immer weniger das Gefühl, etwas zu leisten. Während der gewöhnlichen Arbeitszeit befasse ich mich zwar mit dringenden und wichtigen Themen, fühle mich aber nicht wirklich produktiv, weil meine Arbeitstage zerlegt und zu sehr fremdgesteuert sind.
Warum ist das so? Nun gut, meine Arbeit bereitet mir Freude und meine Familie erlaubt es mir. Notwendig ist es aber, weil ich während der regulären Arbeitszeit nicht zum Arbeiten komme. Ich werde entweder von jenen unterbrochen, die mir Arbeit geben und meinen Fortschritt kontrollieren wollen, oder ich verschwende meine Zeit in unproduktiven Meetings.
Jason Fried provozierte 2010 in seinem TED Talk „Why work doesn’t happen at work“ damit, dass jeder die direkte Kommunikation mit Managern vermeiden und Meetings ignorieren solle, also einfach nicht hingehen. Er bezeichnet Manager und Meetings als die M&Ms, die uns von der Arbeit abhalten. Klingt cool, dann komme ich also endlich auch bei der Arbeit zum Arbeiten, wenn ich diesen M&Ms aus dem Weg gehe! Jason Fried hat am Ende seines TED-Vortrags dann nochmal kräftig zurückgerudert und sich nur für einen halben no-communication-thursday ausgesprochen, sozusagen als Vorschlag zur Güte.
Sind die M&Ms – Manager und Meetings – wirklich das Problem?
Ich vermute ja … und nein.
Bleiben wir zunächst einmal bei den Managern. Das Selbstverständnis eines Managers in einer direktiven Organisation – der aktuell weltweit noch weitverbreitetsten Form von Organisationen ab einer bestimmten Größe – ist Führung als vermittelte Ausrichtung des Handelns von Individuen auf die Verwirklichung vorgegebener Ziele. In einer allgemeinen Lichtmetaphorik ausgedrückt sieht ein Mitarbeiter das Licht – also Chancen, Gelegenheiten, Ziele, Träume – nicht überall um sich herum, sondern nur als Licht am Ende eines Tunnels. Bis der Mitarbeiter dort – an dem ihm vorgegebenen Ziel – angekommen ist, kann er seine kognitiven Fähigkeiten weitgehend ungenutzt lassen.
Wie steht es um die Motivation des Mitarbeiters? Kann eine intrinsische Motivation des Mitarbeiters durch den Manager genutzt werden? Unwahrscheinlich, weil gerade die Fremdbestimmung des Mitarbeiters durch den Manager dies unterläuft und auf den Mitarbeiter demotivierend wirken kann. Sinnstiften durch den Manager wie zum Beispiel: „…ich erklär Ihnen jetzt mal, warum das so wichtig ist …“, kann durchaus kompensierend wirken, muss aber – wie wir alle wissen – regelmäßig erneuert werden.
Wie sieht es dann mit extrinsischer Motivation des Mitarbeiters aus, also instrumentelle Konditionierung durch Bonus oder Malus? Wirkt nicht. Belohnungs- oder Bestrafungssysteme sind nicht nur wirkungslos, sondern verringern die Leistungen von Mitarbeitern, sobald der Einsatz minimaler kognitiver Fähigkeiten erforderlich ist. Hierzu sei ein sehenswerter TED-Talk von Dan Pink „Über die überraschende Wissenschaft der Motivation“ empfohlen.
Manager sind erst dann kein Problem mehr für den Mitarbeiter, wenn sie ihr bisheriges – eher direktives – Führungsverständnis grundlegend revidieren: Führung als Weiterentwicklung, Unterstützung und Ermächtigung des Handelns von Individuen zur Verwirklichung abgestimmter Ziele und Interessen. Direktive Führungsmechanismen sind wichtige Bestandteile bei der Bewältigung von Krisensituationen, aber weniger geeignet in einem schwer voraussagbaren, komplexen, mehrdeutigen und unbeständigen Umfeld. Während einer Krise ziehen Mitarbeiter tatsächlich oft klare Ansagen einem ansonsten drohenden Chaos vor.
Entwickelt sich das Führungsverständnis in Richtung eines befähigenden und ermächtigenden Entwicklungsdienstes, löst sich das Problem der Manager, die Mitarbeiter von der Arbeit abhalten, irgendwann von selbst. Ein Aspekt dabei bleibt ungelöst: Was machen wir mit der zunehmenden Anzahl an überflüssigen Managern? Und was sollte Manager zu einem Systemwechsel veranlassen, in dem es immer weniger zu managen gibt? Die Antwort ist denkbar einfach: Die können ja wieder fachlich arbeiten oder helfen, Aktivitäten in den Organisationen koordinativ zu synchronisieren. Nehmen wir also an, wir hätten das Problem der Manager (das erste M) dadurch gelöst, dass die Manager sich selbst ein modernes Führungsverständnis verpasst haben.
Wie aber steht es mit dem Problem der Meetings, dem zweiten M?
So wie mich Manager mit Command & Control von meiner Arbeit abhalten, tun dies auch Meetings als systematisches Instrument. Hier werde ich beispielsweise mit anderen zeitgleich über etwas informiert – was genauso gut hätte asynchron und themenbezogen zum Beispiel über eine Kollaborationsplattform hätte geschehen können. Oder ich soll zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Meeting (mit-)entscheiden. Auch das kann asynchron und dezentral organisiert werden. Menschen in überflüssigen Meetings zusammen zu bringen ist nicht nur teuer, wie man hier mit einem Meeting-Kosten-Rechner leicht ausrechnen kann. All das schadet auch meiner Selbstwirksamkeit und Arbeitsautonomie:
LASST. MICH. DOCH. BITTE. IN. RUHE. ARBEITEN !
Damit ich endlich meine ganze Wirksamkeit entfalten kann, nehme ich vielleicht an gar keinem Meeting mehr teil und bitte darum, Fragen nur noch schriftlich an mich zu richten? Das wäre optimal – für mich, … und zwar nur für mich! Und genau darin liegt das Problem: Das wäre keine Zusammenarbeit, sondern Arbeitsteilung. Wenn jeder nur für sich allein arbeitet, gibt es kein „Alignment“ mehr, das heißt keine Abstimmung von Zielen, Interessen, Aktivitäten und Ergebnissen.
Unausgerichtete Bewegungen erzeugen aber wenig von einer resultierenden Gesamtbewegung, die wir uns vielleicht wünschen und die mit gegebener Energie möglich wäre, dafür aber viel Wärme. Das ist vielleicht kreativ, aber es ist auch ineffizient, besonders in größeren Organisationen. Bei Meetings scheint also das berühmte „kommt drauf an“ zu gelten bzw. ein „die Dosis macht das Gift“. Denn Meetings halten uns nicht nur von der Arbeit ab. Im Gegenteil ermöglichen sie uns durch die in ihnen stattfindenden Dialoge, Arbeiten aufeinander abzustimmen und gemeinsam auszurichten, zum Beispiel zum Abstimmen von Planungen, Austausch über den Fortschritt, Überprüfen von Arbeitsergebnissen, Sammeln sowie Bewerten von Verbesserungsvorschlägen und vieles mehr. Meetings, die richtig organisiert sind, sind ein Forum, in dem gemeinsam an Themen gearbeitet wird, und eben keine verschwendete Arbeitszeit.
So wichtig Besprechungen dadurch auch sind, sollten Meetings nach Möglichkeit optional sein! Organisatoren von Besprechungen müssen sich dann Gedanken über den Nutzen eines Meetings machen und diesen vorab kommunizieren. Sorgen, dass alle nur eigennützig sind und deshalb nur zu den Besprechungen erscheinen, von denen sie selbst profitieren, halte ich für unbegründet, denn die wenigsten haben ein Problem damit, ein übergeordnetes und nachvollziehbares Ziel zu verfolgen – nicht zuletzt und überhaupt deshalb können viele in abhängigen Anstellungsverhältnissen arbeiten. Wenn die Teilnahme an Meetings optional ist, erscheint mir wichtig, dass die Ergebnisse einer Besprechung auch für diejenigen gelten, die nicht teilgenommen haben.
Das Meeting mit mir selbst
Jetzt möchte ich Jason Frieds Idee eines halben no-communication-thursday pro Monat in seinem TED-Vortrag wieder aufgreifen. Coole Idee! Aber warum denn nur so halbherzig? Eines meiner einprägsamsten Erlebnisse für produktive Arbeitszeit war während meiner Schulzeit im Internat das tägliche Silentium von 2h und 15min Dauer am Nachmittag. Es war muchsmäuschenstill. Schwätzen verboten und meine Konzentrationsfähigkeit wurde anhand von Strichlisten gemessen: Es wurde gezählt, wie oft ich aus dem Fenster schaute. Sagen wir mal, wir würden jedem Mitarbeiter täglich von 14 Uhr bis 16 Uhr ein Silentium bieten, dann würden wir Gelegenheiten schaffen, in denen jedes Gehirn täglich zwei Stunden zusammenhängend arbeiten könnte. Wir hätten vermutlich entweder einen großen Innovationsschub oder eine bessere Erholung der Mitarbeiter in ihrer Freizeit, die so vielleicht weniger durch Arbeit kannibalisiert wird, als das bisher der Fall sein mag. Ein Silentium ist gleichsam ein „produktives Meeting mit sich selbst“, in dem in Stille gearbeitet, organisiert und dokumentiert werden kann.
Idealfall: mehr Autonomie
Dass uns M&M’s – also Manager und Meetings -, von der Arbeit abhalten, muss vielleicht bejaht werden. Ich empfinde es aber als eine unzulässige Vereinfachung des Sachverhaltes. Was sowohl für die Zusammenarbeit in Meetings, als auch für das Management von Arbeitskraft gilt:
Jedes Individuum braucht die Möglichkeit, sich mit der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit sowie der Zusammenarbeit mit anderen auseinanderzusetzen.
Ideal ist, über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft im Wesentlichen selbst entscheiden zu dürfen.
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