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Großstädte wie Frankfurt am Main haben in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich Zuwachs an Büro-, Wohn- und Lebensraum erfahren.
Der Pendler-Verkehr aus den umliegenden Kommunen sorgte seit jeher für Staus auf den Autobahnen rund um die Metropolen Deutschlands.
Mit Beginn der Corona-Krise und den Lockdowns erlebten einige dieser Städte phasenweise Stillstand, Leere und Einsamkeit.
Arbeit wurde wo möglich im Homeoffice verrichtet, Gastronomie blieb geschlossen, die Pendler blieben in ihren Wohnungen und Häusern und erledigten den Großteil der Arbeit remote. Was für viele lange als „unmöglich“ galt, klappte plötzlich erstaunlich unkompliziert.
Welche langfristige Wirkung werden die Erkenntnisse der letzten Monate auf die Art, wie wir arbeiten, haben?
Wie viel „Büro“ braucht eine Stadt? Wie kann die Zukunft unserer Arbeitswelt aussehen?
Über dieses Thema haben wir mit einem Unternehmer gesprochen, der seine Kunden schon vor der Krise dabei begleitet hat, „agil“ zu arbeiten.
Interview mit Rainer Borg (kyona) als Podcast anhören:
Über Rainer Borg und die kyona Unternehmensgruppe
„Ich bin Agility Coach bei kyona. Wir skalieren agile Arbeitsumfelder. D.h.: wir organisieren die weltweite agile Zusammenarbeit in Unternehmen zum Beispiel für komplexe digitale Transformationsprojekte (Change Initiative).„
Rainer, wir wollen heute über das „Büro der Zukunft“ sprechen. Und da stellen sich direkt die ersten Fragen: Wird es DAS Büro in der bekannten Form überhaupt noch geben? Oder wird Arbeit überwiegend dezentral ausgeführt? Wie viel Homeoffice bleibt „nach Corona“?
Wir leben in einer Zeit der Digitalisierung und Vernetzung. Die Art der Kommunikation in unserer Zusammenarbeit ist dabei der Kernpunkt zur Veränderung. Wir müssen davon ausgehen, dass rein aus Effizienzgründen in Zukunft nur noch diejenigen ins Werk oder ins Büro gehen, die tatsächlich Material anfassen, also im Lager und in der Produktion arbeiten.
Von dieser These ausgehend müssen wir unsere heutigen Büros bereits als Anachronismus bezeichnen. Die Generationen, die mit dem traditionellen Büro groß geworden sind, haben eventuell Probleme mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Die neue Generation, die jetzt vor den Toren der Arbeitswelt steht, ist die asynchrone Kommunikation bereits gewohnt und schätzt diese.
Der Mensch zieht also nicht berufsbedingt hin zu seiner neuen Arbeitsstätte, sondern holt sich die Arbeit dort hin, wo sein Lebensmittelpunkt ist. Würdest Du das als ein Zukunftsmodell für Arbeit sehen?
Absolut – durch Vernetzung wird dies in vielen Bereichen möglich, dadurch erhalten wir mehr Work-Life-Integration als Work-Life-Balance.
Auch das Wechseln der Arbeitsorte ist möglich, dadurch ergibt sich für viele Mitarbeiter mehr Lebensqualität und Unabhängigkeit, für Unternehmen Kostenersparnis durch Wegfall der Büroflächen und produktiveres Arbeiten der Belegschaft. Somit ein Nutzen für beide Seiten.
Diese Veränderung wird aber nicht dadurch entstehen, dass wir jetzt plötzlich alle mit Videokonferenzen arbeiten. Das ist zu kurz gesprungen.
Vernetzen von Wissen zu Themen auf digitalen Collaborations-Plattformen wird der Treiber dieser Entwicklung sein.
Hast du aus deiner beruflichen Praxis und aus deiner Erfahrung vielleicht eine Erfolgsgeschichte, die Du als Beispiel vorstellen kannst?
Kyona! Wir arbeiten genau so.
Alle kyona Kollegen arbeiten da, wo sie wollen – sofern der Kunde sie nicht vor Ort wünscht.
Wir haben keine offiziellen Büros in tollen Türmen in den Großstädten. Wir arbeiten praktisch zu 100% remote – von da aus, wo unsere Kollegen gerade wollen. Kern unserer Zusammenarbeit ist unsere Jira remote Collaboration Plattform, in der wir zusammen an Themen arbeiten, statt uns Emails zu schreiben. Einer unserer Kollegen zum Beispiel wohnt in Berlin – er ist aber lieber auf der Krim in seiner Datschia und arbeitet von dort aus.
Kein Problem für uns. Internet gibts da auch. Er ist voll integriert und immer dabei.
Einer unserer Kollegen zum Beispiel wohnt in Berlin – er ist aber lieber auf der Krim in seiner Datschia und arbeitet von dort aus.
Super. Jetzt hast Du ja eben schon Work-Life-Integration angesprochen, was häufig als Begriff für ein alternatives „Modell“ zur Work-Life-Balance fällt und die Arbeit sozusagen als permanent im Leben präsenten Bestandteil beschreibt.
Wenn wir die Social Media oder die E-Commerce-Welt als Beispiel betrachten, sehen wir, dass es völlig normal ist, dass Nutzer an Wochenenden ihre Fragen stellen oder am späten Abend, wenn sie selber Freizeit haben.
Es muss dann entsprechend schnell reagiert werden – nicht alles kann man mit Bots oder Ähnlichem lösen, Kundenservice wird an einigen Stellen 24/7 erwartet. Eine nicht beantwortete Frage führt da schnell zu einem verlorenen Kunden, der zum Wettbewerber abspringt. Das heißt, eine gewisse Rundum-Erreichbarkeit ist schon gefordert.
Bringt das auch eine Gefahr mit sich? Zum Beispiel hinsichtlich Burnouts oder gesundheitlichen Problemen?
Ist da mehr Distanz erforderlich?
Ich halte es damit Jeff Bezos, der wiederum nichts von Work Life Balance hält und dies auch öffentlich kundtut.
Das Prinzip der Trennung von Privatem und Arbeit indiziert, das wir Lebenszeit verkaufen um wiederum Leben zu können.
Für viele ist das sicherlich so, aber Jeff Bezos macht klar, dass das in Harmonie bringen von privatem Leben und Arbeitsleben eine Spielwiese für die persönliche Entwicklung bereitstellt, die deutlich mehr zu bieten hat, als wir in unseren Systemen heute nutzen.
Und persönliche Entwicklung ist die Grundlage für Zufriedenheit und Glück. Die Gefahr von Burnouts und Gesundheitsproblemen gibt es in dieser integrierten Form des Lebens ebenso wie in der getrennten Form.
Mitarbeiter müssen ihre Arbeit gut organisieren, können diese aber auch flexibler erledigen als früher, z.B. um private Termine wahrzunehmen.
Viel Selbstverantwortung ist notwendig. Alles hat Vor- und Nachteile.
Du hast auch in deinen eigenen Räumlichkeiten eine klare Trennung: oben Wohnen, im Souterrain-Bereich wird gearbeitet.
Hand aufs Herz: klappt es wirklich, die Balance zwischen Familie, Freizeit und Arbeit zu finden?
Wir haben sogar 2 Büros im Haus. Somit sind wir für Remote-Arbeit bereits voll eingerichtet.
Ich sitze hier vor 5 Bildschirmen und arbeite jeden Tag mit Leuten aus China, Japan, USA, Costa Rica, Rumänien und Deutschland.
Ich finde das absolut bereichernd! Muss allerdings gestehen, dass ich grundsätzlich gerne und viel arbeite. Seit in den letzten 2 Jahren Corona das berufliche Reisen erschwert hat und ich remote arbeiten kann, habe ich von meiner Familie deutlich mehr mitbekommen und kann deutlich stärker mitwirken als je zuvor.
Mir persönlich gefällt die Integration von Arbeits- und Privatleben sehr gut.
Lass uns über ein paar aktuelle Beispiele aus der Praxis sprechen:
Der Trigema-Chef Wolfgang Grupp hat im Rahmen der Corona-Krise argumentiert, dass er bei Homeoffice 50% mehr Personal brauchen würde (Quelle: Artikel bei der ZEIT). Bei Arbeit Just-in-time müssten Leute vor Ort sein und er als Ansprechpartner für die Mitarbeiter präsent. Außerdem wäre es nicht fair Nähern/Näherinnen gegenüber, die nur in der Firma arbeiten können.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch junge Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen, die 100% remote Arbeit ablehnen (Beispiel Reise-Start-Up „Get Your Guide“, Interview mit Gründer Tao Tao bei BusinessInsider).
Wer sich bewerben möchte mit der Bedingung, 100% von Zuhause zu arbeiten, wird von vornherein abgelehnt.
Persönliche Begegnungen werden als wichtiger Teil der Firmenkultur gesehen.
Wie siehst Du diese beiden Sichtweisen?
Ich kenne Wolfgang Grupp weder persönlich, noch habe je eines seiner Werke besucht. Bringe ich jedoch seine Publikationen mit meinem Erfahrungswissen in Zusammenhang, gehe ich davon aus, dass Herr Grupp ein mittelständischer Unternehmer vom alten Schlage ist, der sich seine Hierarchie auf den Leib geschneidert hat. Und der Erfolg gibt ihm Recht – ohne Zweifel. Es wird sehr spannend, was passiert, wenn dieser Käpt’n mal die Brücke verlässt. Aber das ist eine andere Story.
In den von ihm aufgebauten, traditionellen Strukturen passt Homeoffice wahrscheinlich nicht. Das ist eine andere Welt.
Wenn der Aufbau eines Webshops als Digitalisierungsleistung gefeiert wird, sollte man sicherlich jeden Tag ins Office rennen und physisch zusammenarbeiten. Vielleicht schafft die nächste Generation bei trigema dann den Schritt in die digitale und vernetzte Zukunft…
Dein zweites Beispiel zeigt es ebenso deutlich: Es ist eine Frage der Kultur – des Mindsets. Wer die Kultur so definiert, dass persönliche Begegnungen der signifikante Bestandteil sind, dann muss das auch so sein.
By the way, ganz ohne physische Treffen kommen auch wir nicht aus. Bei aller Remote Zusammenarbeit kommen wir mindestens zweimal im Jahr zu sogenannten „Change Days“ auch „live“ zusammen. Wir treffen uns irgendwo und arbeiten 3 bis 4 Tage in Workshops zusammen und entwickeln gemeinsam unsere Unternehmensgruppe weiter. Zum Beispiel planen wir das nächste Quartal und stimmen unsere OKR’s ab. Dann fliegen wir alle wieder nach Hause und arbeiten mehrere Monate remote zusammen.
Hhm, auf der anderen Seite arbeite ich bei meinem aktuellen Projekt seit knapp 2 Jahren mit einer Kollegin vom Kunden remote zusammen, die eigentlich nur 70 km entfernt auf der anderen Seite von Frankfurt arbeitet. Wir sehen uns täglich und arbeiten täglich zusammen. Physisch haben wir uns noch nie getroffen. Es funktioniert super. Wird sicherlich irgendwie ganz komisch, wenn wir uns dann doch mal treffen…
Wenn der Aufbau eines Webshops als Digitalisierungsleistung gefeiert wird, sollte man sicherlich jeden Tag ins Office rennen und physisch zusammenarbeiten
Aus dem persönlichen Umfeld kenne ich Leute, die berichtet haben, dass ihre Kollegen oder Bekannte oder Mitarbeiter in der Corona-Zeit tatsächlich die Arbeit schleifen ließen – so wie es einige Manager fürchteten.
Was dann schlichtweg daran lag, dass die Leute zu undiszipliniert sind, zu unselbständig und sich nicht selber organisieren können. Leute, die dann tatsächlich jemanden brauchen, der sie an die Hand nimmt und sagt, was wann zu tun ist.
Diese permanente Überwachung oder Kontrolle ist ja allein arbeits- und datenschutzrechtlich überhaupt nicht umsetzbar.
Hast Du Ideen oder Vorschläge, was Möglichkeiten oder Lösungen sein können?
Routinen zum Beispiel, um alle Mitarbeiter bei der Stange zu halten, sodass man einen gewissen Rahmen hat, zum Beispiel jeden Morgen um 8 Uhr mit einem gemeinsamen Kickoff in den Tag zu starten.
Oder siehst Du das so, dass jeder lernen muss, sich eigenverantwortlich zu organisieren?
Ja klar! Neben einer Kollaborationsplattform machen agile Arbeitsweisen hier den Unterschied. Die gehören fest zur remote Zusammenarbeit.
Es ist wichtig, grundsätzlich in Teams zusammenzuarbeiten und die Arbeit für einen anstehenden Zeitraum – zum Beispiel die Woche – gemeinsam zu planen. Dann folgen entweder jeden Tag oder jeden zweiten Tag Stand Up Meetings – kurze Abstimmung, wer an was arbeitet, wo Unterstützung gebraucht wird und wer mit wem bis wann an welchen Themen arbeiten wird.
Am Ende des Zeitraums wird dann gemeinsam geschaut, was erreicht wurde und überlegt, was man im nächsten Zeitraum ggf. an der Zusammenarbeit noch verbessern kann. So bekommt der Arbeitsalltag einen Rhythmus und die Zusammenarbeit im Team motiviert und verringert das Risiko, sich total durchhängen und gehen zu lassen.
Der zweite wichtige Aspekt ist die Art der Zusammenarbeit bzw. die Werkzeuge, die genutzt werden. Wer noch auf Email-Kommunikation setzt und Informationen personenbezogen verteilt – wenn auch elektronisch – hat noch einen weiten Weg vor sich, wenn es um Remote Collaboration geht.
Auch hier zeigen die agilen Arbeitsweisen den Weg in die Zukunft. Die Arbeit der Teams steht auf Karten. In den Meetings wird über diese Aufgaben auf den Karten gesprochen und abgestimmt, wer was mit wem bis wann macht. Haben wir diese Karten in IT-Systemen wie Jira oder Asana elektronisch auf dem Bildschirm, muss niemand mehr ins Büro und die Zusammenarbeit klappt auch verteilt so, als wenn alle in einem Raum zusammen wären.
Kontrollen im hierarchischen Sinn sind mit dieser Arbeitsweise gar nicht erforderlich, da wir volle Transparenz haben und jeder Beitrag in der Zusammenarbeit landet, in einer dieser Karten. Alle vernetzen so ihre Beiträge und somit ihr Wissen. Hängt tatsächlich mal einer komplett durch, wird er vom Team aufgefangen.
Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dieser Form der agilen Zusammenarbeit in Remote Teams gemacht.
Wir kommen noch einmal zurück zum Thema Räumlichkeiten, also den Büros, wo letzten Endes die Arbeit stattfindet.
Es hat natürlich nicht jeder die Möglichkeit oder auch die finanziellen Mittel, um sich im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung einen Arbeitsplatz einzurichten, wo er wirklich konzentriert seiner Arbeit nachgehen kann.
Macht es deiner Meinung nach Sinn, wenn Unternehmen mit beispielsweise mehreren Standorten in Deutschland für ihre Mitarbeiter heimatnah in Co-Working-Spaces Büromöglichkeiten anbieten oder anmieten?
Ja, das ist eine gute Möglichkeit, gerade wenn man keinen Platz oder Ruhe zu Hause hat. Auch der soziale Aspekt kommt hier mit rein.
Das ist vor allem für junge Kollegen wichtig, die noch keine eigene Familie haben. Man kann viel leichter soziale Kontakte knüpfen als im Homeoffice.
Das ist eine gute Sache.
Aktuell lesen wir ja auch in den Medien, dass zum Beispiel Google Gehälter am Wohnort orientieren will.
Wer 100% im Homeoffice arbeitet, bekommt in einer Region mit niedrigen Lebenshaltungskosten entsprechend auch weniger Lohn. Dadurch haben sich schon einige Mitarbeiter doch für das Pendeln entschieden, statt Lohnabstriche in Kauf zu nehmen. Wie stehst Du zu diesem Thema?
Das ist nur konsequent. Wir hatten die Diskussion gerade auf LinkedIn. Große Aufregung bei allen Beteiligten:
Das kann man doch nicht machen! Ist denn die Arbeit eines in Ostdeutschland in der Uckermark wohnenden Mitarbeiters weniger Wert als die der Berliner…. usw.
Ich habe dann in der Chat-Runde die Frage gestellt, ob die Leistungen der Mitarbeiter im Silicon Valley so viel besser sind als die der Google-Mitarbeiter in München und die so viel besser als die der Google-Mitarbeiter in Indien. Voraussichtlich nicht so signifikant. Die Gehälter sind trotzdem sehr unterschiedlich. Sie sind den jeweiligen Gesellschaftssystemen und regionalen Bedingungen angepasst, in denen die Mitarbeiter leben.
Global betrachtet ist das seit Jahren so und allgemein akzeptiert. Aber es wird sich immer mehr angleichen. Silicon Valley ist sau teuer – da muss man mehr bekommen, wenn man vor Ort sein soll. In Indien ist das Leben allgemein preiswerter als in den USA, deshalb sind die Löhne in der Regel auch geringer. Angebot und Nachfrage. Zukünftig werden unsere deutschen Landsleute zunehmend mit Arbeitskräften aus anderen Ländern und Kulturen konkurrieren und unser teures Staatswesen wird da sicherlich kein Wettbewerbsvorteil sein.
Wenn sich jetzt bei der Arbeit der Weg ins Office überhaupt nicht vermeiden lässt und irgendetwas vor Ort erledigt werden muss, wie würde aus deiner Sicht das perfekte Büro oder die ideale Arbeitsumgebung aussehen? So, dass die Leute wirklich produktiv arbeiten können.
Zum Thema Arbeit der Zukunft habe ich drei Vision Stories geschrieben, die in unserem kyona Enterprise Agility Blog als auch auf Linkedin publiziert wurden. Eine beschäftigt sich mit genau diesem Thema.
Link zum Blogbeitrag bei kyona
Über das „perfekte Büro“ müssen wir nur nachdenken, wenn wir uns der Möglichkeiten von Digitalisierung und Vernetzung in der Zusammenarbeit verschließen. Wenn wir nicht unser Wissen vernetzen sondern Menschen zusammenbringen.
Es mag arrogant klingen aber ich habe das Gefühl, dass die meisten den Trick mit der Remote Collaboration noch gar nicht verstanden haben.
Wenn ich mich umschaue, dann haben die meisten Unternehmen ihre Mitarbeiter mit Ausbruch der Corona Krise ins Homeoffice geschickt und ihnen zusätzlich zum bisherigen Kram Microsoft Teams zur Verfügung gestellt. Videokonferenzen machen aber noch lange keinen effektiven Remote Arbeitsplatz. Dass das nicht funktioniert und viele wieder ins Büro wollen, ist schon klar.
Videokonferenzen machen aber noch lange keinen effektiven Remote Arbeitsplatz.
Der Kern der digitalisierten und vernetzten Zusammenarbeit ist die Evolution der Kommunikation. Themenbezogene Zusammenarbeit, Wissen zu Aufgaben vernetzen – das macht den Unterschied. Das gilt es zu verstehen. Agile Arbeitsweisen wie Scrum, Kanban etc. machen es doch vor, denken den Prozess aber noch nicht zu Ende – lassen die Möglichkeiten von Digitalisierung und Vernetzung weitestgehend ungenutzt.
Und dabei ist es nur ein einziges Prinzip, das den Unterschied macht, das es zu verstehen und umzusetzen gilt.
Um welches Prinzip handelt es sich dabei?
… das Prinzip, wie wir miteinander kommunizieren, von Person zu Person oder aber auf Themen bezogen.
Wie arbeiten wir denn in unseren traditionellen Unternehmen? Unsere Organisationen sind pyramidenmäßig aufgebaut.
Immer 8 bis 10 Leute haben einen Chef, der sich wieder mit 7 weiteren Chefs von anderen Bereichen abstimmt – die wiederum von einem Chef darüber geführt werden und so weiter. Große Unternehmen kommen so auf bis zu 9 Ebenen Chefs, die den ganzen Tag in Meetings hocken und sich abstimmen.
Immer reden Personen mit Personen und schreiben alles Wichtige in kleine schwarze Notizbücher oder in Protokolle, um dann einiges davon an ihre Mitarbeiter weiterzugeben, damit die es an ihre Mitarbeiter weitergeben und so weiter. Wie seit mehr als 200 Jahren von Person zu Person.
Agile Methoden arbeiten anders. Und die sind der Schlüssel für Arbeit im Homeoffice. Da wird jede Aufgabe auf eine Karte geschrieben und an die Wand gehängt. Ein Team stellt sich davor und redet über genau dieses Thema – themenbezogen. Wenn wir nun das Ergebnis der Besprechung auf die Karte schreiben und alles andere, was zu diesem Thema erarbeitet wurde, hat jedes Thema plötzlich einen Lösungsweg – und bumms – arbeitet die gesamte Organisation an Lösungen, statt nach Informationen in schwarzen Notizbüchern und E-Mails zu suchen. Wenn wir diese Karten nun digitalisieren und das Bord auf den Bildschirm bringen, hat plötzlich jeder alle Informationen, die er zum Arbeiten braucht – und das komplett unabhängig vom Ort, an dem er sich gerade aufhält. Und dieser Effekt, der macht den Unterschied!
Mit digitalisierter, themenbezogener Zusammenarbeit auf Basis agiler Arbeitsmethoden spielt das traditionelle Büro plötzlich keine Rolle mehr.
Es ist egal, von wo aus wir arbeiten, es kommt nur auf die Zeitzone an. Mehr nicht – zumindest bei allem, was mit Wissensarbeit zu tun hat.
Deshalb mache ich mir ums Büro keine Gedanken. Eher, wo ich am liebsten leben möchte. Auf einer Insel in Griechenland, auf der Krim – egal.
Alles was ich brauche ist ein Rechner, einen großen Bildschirm und einen fetten Internetzugang.
Zum Schluss dann noch ein Ausblick: Wohin wird die Reise gehen? Wird sich das mit der Arbeit im Homeoffice tatsächlich halten? Oder werden die Unternehmen wieder Mitarbeiter zurück in die Büros rufen, sodass wir wieder mehr Büroflächen und auch mehr Pendler auf den Autobahnen haben werden?
Für mich eine klare Sache:
Die Bürotürme in den Metropolen werden leer stehen. In der Peripherie der großen Ballungsgebiete werden an den Startstationen von Elon Musk’s Hyperloop Unternehmensdörfer entstehen mit Häusern, die jeweils über mindestens zwei Büros verfügen und in denen Familien leben, bei denen beide Elternteile im Homeoffice in remote Collaboration in weltweiten Netzwerken zusammenarbeiten und sich gemeinsam um die Kinder kümmern.
Die Firmenzentrale bietet dann Kindergärten, Raum zum socializen, 24/7 Convenience Shops, Grillplätze und so weiter.
Das Prinzip der Arbeit wird sich für viele komplett umdrehen.
Ein spannender Ausblick zum Schluss. Vielen Dank für deine Zeit und deine spannenden Antworten, Rainer.
Sehr gerne.
Dieses Interview wurde geführt und veröffentlicht im Online Magazin „the good place“ am 08.10.2021:
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