Vor kurzem hatte ich einen linkedIn chat mit einem, meiner Einschätzung nach, namhaften Agile Guru hier in Deutschland – in jedem Fall ein Meister seines Faches, wenn es um das Rezitieren wichtiger amerikanischer Agile Gurus geht.
Mit Bezug auf seinen Post, ob sich Agilität noch beweisen müsse, argumentierte ich in einem Kommentar, dass Agilität in der Krise steckt, weil wir diese, meiner Meinung nach sehr sinnvolle Art der Teamarbeit, nicht richtig digitalisieren. Wir hängen zu sehr der amerikanischen Kultur nach, die für uns in Europa nicht passt. Die nächste Evolutionsstufe von Agilität in Form von digitalisierter kreativer Zusammenarbeit oder auch digital co-creation ist fällig.
Die Reaktion des besagten, von mir durchaus wertgeschätzten „Gurus“ war klassisch und symptomatisch für den Status unserer Agile Communities – im übertragenen Sinne: Wenn Agile nicht funktioniert, läge es nicht an den Tools, davon gäbe es genug und auf allen wichtigen amerikanischen Konferenzen sei das auch gesagt worden.
Ah, unsere amerikanischen Agile Heros haben ausreichend Tools, um ihre agile Zusammenarbeit zu unterstützen…
Meiner Argumentation wurde dann, für mich gefühlt etwas entnervt, entgegengehalten: Alle Entwickler, die er kenne, hätten ausreichend Tools und bräuchten nicht noch weitere.
Ehrlich gesagt, hat mich diese Antwort leicht verstört. Sie klang sehr ähnlich dem, was wir aus dem Lager der traditionellen Hierarchen öfter hören: Haben wir doch immer schon so gemacht, brauchen wir nicht…
Mit einem weiteren, sehr erfahrenen Agilisten, der sich ebenfalls in den Chat involviert hat, vertiefte ich den Austausch, um sicherzustellen, dass die vielen vorhandenen Tools tatsächlich bereits die agile Zusammenarbeit in Teams digitalisieren oder – wie von uns behauptet – nur die traditionelle Kommunikation in digitaler Form beschleunigen.
In dieser für mich sehr fruchtbaren Diskussion ist meinem Empfinden nach einmal mehr deutlich geworden: wir folgen mehr oder weniger blind amerikanischen Gurus, ohne unsere europäischen oder auch deutschen Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen.
Was meine ich damit?
In der vierten industriellen Revolution geht es darum, Geschäftsprozesse zu digitalisieren und alles auf möglichst einer einzigen digitalen Plattform zusammenzubringen.
Auf dieser Plattform werden Datenobjekte, die entlang der Prozesskette genutzt werden, miteinander vernetzt und der Inhalt jedem transparent zur Verfügung gestellt.
In den repetitiven Geschäftsprozessen, die in jedem Unternehmen laufen, ist das durch ERP Software seit vielen Jahren realisiert. Kein Mensch würde heute auf den Gedanken kommen, ein größeres, fertigendes Unternehmen ohne integrierte ERP Software managen zu wollen.
Meister ihres Fachs sind in diesem Gebiet SAP aus WalLdorf bei Heidelberg.
Deutsche Ingenieurskunst hat die Herausforderung der Digitalisierung der Zusammenarbeit im Unternehmen perfektioniert.
Übrigens sind die Walldorfer meines Wissens Marktführer in Sachen ERP Software.
Wohlgemerkt, in sich wiederholenden Geschäftsprozessen. Nun behauptet mein Agile Idol aus unserem Chat, das ließe sich nicht auf kreative Prozesse übertragen : „Wir sprechen doch nicht von komplizierten determinierten Systemen, sondern komplexen emergenten und unvorhersehbaren Umfeldern und Problemen. Genau dafür brauchst du doch kreative intelligente und innovative Produkt- und Software-Entwickler. Genau dafür brauchst du Tools, die in der Lage sind horizontal zu integrieren, also Netzwerke adaptiv und eben nicht prozessual zu steuern. Die genau keine Pfade vorgeben, sondern diese sich immer wieder neu aushandeln lassen. Wüsste nicht, dass es das schon gibt.“
„Und die Software Entwickler, die ich kenne, haben die Tools die sie brauchen, um ihre Arbeit zu machen von CI, bis DevOps Umgebungen, die Open Source Plattformen (GitHub) und was nicht alles mittlerweile sonst noch gibt, einschließlich Slack und Co, ja selbst entwickelt um in der Lage zu sein digital und schnell hochprofessionell iterativ Testgetrieben und Feedbackbasiert zu entwickeln“.
Ja richtig lieber Boris, zig Insellösungen, auf der jedes Team seine Arbeit per Jirakarte an „Team-Kollegen“ verteilt – eben klassische Kommunikation statt Vernetzen von Informationen aus digitalisierter Teamarbeit, statt Vernetzen von Wissen im Lösungsweg.
Mit Gerd Marinelli zusammen haben wir jedoch schnell herausarbeiten können, dass es doch geht, die Technologie sogar bereits verfügbar ist und wir vor allem eines müssen: Uns auf unsere europäischen Stärken berufen und aufhören, den Amis blind hinterherzulaufen.
Wir haben diese Form der digital-agilen Zusammenarbeit übrigens schon diverse Male sehr erfolgreich umgesetzt und für unsere Leistungen hervorragende Testimonials bekommen.
Wenn Ihr wissen wollt, was wir zu tun haben, um den SAP-Effekt in unserer Entwicklungs-Zusammenarbeit zu realisieren und alles auf einer digitalen Kollaborationsplattform zusammenzuführen, statt typisch amerikanisch mit hunderten von Insel-Tools zu arbeiten, schreibt mir eine Nachricht und lasst uns sprechen.
Zum Autor
Rainer Borg hat
sich nach 10 Jahren Beratungs- und Aufbauarbeit in einer großen Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung sowie als Vorstand eines Startup ganz dem Thema Scaled Agility Collaboration und Digital Co-Creation in der Organisations- und Produktentwicklung verschrieben.
Mit fundierter Kompetenz bzgl. Scaled Agility Enterprise Architekturen dimensioniert er Agilität in komplexen digitalen Transformations-Initiativen wie z.B. SAP S/4 HANA Rollouts vom einzelnen Team bis hin zur gesamten Unternehmensgruppe.
Seine Passion ist, Unternehmen in ihrem Wandel zu begleiten, Strukturen zu initiieren, die es zum einen dem Management ermöglichen, Komplexität von
Veränderungsinitiativen zu beherrschen und zu steuern, zum anderen den Mitarbeitern ermöglichen, sich einzubringen und das Unternehmen aktiv mitzugestalten.